FUTURE SHOW, Alexandra Hopf

22. Apr. – 05. Juni 2010

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FUTURE SHOW ist die Rekonstruktion einer gleichnamigen fiktiven Ausstellung aus dem Jahr 1948 in New York, deren Exponate nicht mehr im Original verfügbar sind. In ihrer Installation aus einem Video, Fotoarbeiten, Hinterglasmalerei und großformatigen Zeichnungen auf Stoff und Papier schafft Alexandra Hopf mehrere verschachtelte Perzeptions-Ebenen, in denen Versatzstücke aus Wahrnehmungstheorie und -philosophie, Psychoanalyse, Design, Film, Theater und Ausstellungshistorie reflektiert werden.

Der paradoxe Titel stellt den Begriff des Zeitgenössischen infrage: Im Zitat einer Ausstellung in der Ausstellung verschmelzen historische Repräsentation und gegenwärtige Wahrnehmung, Fiktion und Dokumentation.

Die Inszenierung des Blicks in musealem Kontext wird in einem Bezugssystem von Referenzialität und Selbstreferenzialität zwischen den gezeigten Arbeiten thematisiert, die Exponate sind Repräsentationen verschwundener Werke, Merchandise-Artikel, Ausstellungsplakate und Dokumentationsinstrumente.

Atmosphärisch changiert das im Film beschriebene Museum zwischen Mutterleib, unbewusstem Bilderfundus, kafkaesker Scheinarchitektur und obskurem Kuriositätenkabinett. Seine Ähnlichkeit mit einem verlassenen Kaufhaus hinterfragt den modernen White Cube, der vorgeblich für eine Neutralität und Objektivität in Präsentation, für Transparenz und Klarheit sorgt und dabei den Warencharakter der Kunst verschleiert.

In Bezugnahme auf Bildtheorien des Psychoanalytikers Jacques Lacan, Abhandlungen des Kunsthistorikers und Philosophen Georges Didi-Huberman etc. enthält der Text zum Video vielschichtige Anspielungen, die den dokumentarischen Charakter der Erläuterungen zu belegen scheinen, und doch nur als „Trigger“-Wörter zum assoziativen Verweis fungieren.

Gemeinsam ist dem Video wie dem Gesamtsetting der Ausstellung in ZERO FOLD die Thematisierung der Schichten der Wahrnehmung, der Subjektivität und Ambivalenz des Sehaktes: Der niemals vom eigenen Begehren freie Blick ist gleichzeitig Zugriff, muss sich aber immer wieder lösen, kann das Erfasste nie behalten und verwandelt das Gesehene zudem jeweils in ein subjektiv Wahrgenommenes. So wie die Künstlerin sich gefundenes Material aneignet und es im Überarbeitungsprozess absorbiert, enthüllt oder verhüllt, wandelt auch der Betrachter der von ihr geschaffenen Werke das Gesehene wieder um.

Das im Video beschriebene Display rekurriert auf Ausstellungsarchitekturen des Architekten, Designers und Bühnenbildners Friedrich Kiesler. Es verlangt, in Parallele zu den Herausforderungen, die die Konsumgesellschaft generell seit der Nachkriegszeit an den Konsumenten stellt, dem Betrachter ein viel flexibleres Sehverhalten und Interagieren mit dem Kunstwerk (als Stellvertreter für alle übrigen Objekte/Waren der Moderne) ab, als das starre Setting eines klassischen Museums. Es steht für die Unfasslichkeit, die Unmöglichkeit, ein Bild „an sich“ festzuhalten. Je differenzierter und komplexer die Welt wird, desto selektiver muss zwangsläufig unsere Wahrnehmung funktionieren. Das unbewusste Wissen darum, mit allem, worauf man sich konzentriert, zunehmend mehr auszuschließen/auszublenden, erzeugt Melancholie. Jede Wahl bedeutet einen Verlust alles Übrigen, den Verzicht auf das nicht Gewählte.

Die Werke Alexandra Hopfs reflektieren auch auf technischer Ebene die Theorien zu Bildfindung und -analyse: Ihre Hinterglasgemälde basieren auf einem Bildaufbau in umgekehrter Reihenfolge, da die zuerst aufgesprühte Farbschicht im Vordergrund bleibt. Der Bildfindungsprozess verläuft wie eine Rekonstruktion seiner selbst vom sichtbaren Endergebnis bis zur Untergrundschicht verkehrt herum.

Das Moment der Unschärfe findet sich in allen Medien wieder, die Alexandra Hopf wählt, und dient nicht der Verschleierung, sondern der Hervorhebung einzelner Objekte und Partien. Die Präzision der feinen Binnenzeichnungen mit Pastellkreide und Aquarell auf den Zeichnungen tritt umso mehr hervor, als sie auf einem in seiner Tiefe nicht exakt zu ergründenden Bildraum aus unzähligen feinen Lagen von Sprühfarbe treiben.

Die Arbeiten verführen den Betrachter in ihrer Delikatesse und entziehen sich seinem Blick gleichzeitig wieder. Der Blick des Individuums seinerseits tilgt das Objekt, ersetzt es. Seine Illusion und Projektion schafft eigene, neue Bilder, die die vorhandenen verschwinden lassen.